Elektrostatische Aufladung wirkungsvoll beeinflussen

Der hohe elektrische Isolationswiderstand der Kunststoffe ist für viele Anwendungen von Vorteil, birgt aber auch die Gefahr der elektrostatischen Aufladung in sich. Insbesondere elektronische Bauteile und Geräte können durch elektrostatische Entladungen geschädigt werden – hier reichen schon elektrostatische Aufladungen unter 1000 Volt. Elektrostatisch aufgeladene Kunststoffe besitzen darüber hinaus die Eigenschaft, Staub und Schmutz anzuziehen. Größtenteils aus Kunststoff bestehende Automobilinnenräume, die von Staub behaftet sind, widersprechen jedoch dem Qualitäts- und Wertigkeitsempfinden, das an ein hochwertiges Fahrzeug geknüpft ist. Auch in anderen Bereichen wie der Kosmetikindustrie, der Medizintechnik, der Hausgeräteindustrie, der Elektronikindustrie, der Lebensmittelindustrie oder der Möbelindustrie werden hochwertige, staubabweisende Kunststoffoberflächen gewünscht.

 

Gesicherte Informationen zum elektrostatischen Verhalten der Kunststoffe sind deshalb sowohl aus sicherheitstechnischen als auch aus ästhetischen Aspekten von großem Interesse. Hauptziele des vom BMWi geförderten Forschungsprojekts  „Elektrostatische Eigenschaften von Kunststoffen“ waren die Erarbeitung einer Methodik zur anwendungsorientierten Charakterisierung der elektrostatischen Eigenschaften von antistatisch ausgerüsteten Kunststoffen sowie die Entwicklung einer Messmethode zur Einschätzung des Einstaubverhaltens von Kunststoffen.

PP und ABS mit Antistatik-Masterbatches im Test

Auf Grundlage der Erkenntnisse aus der Fachliteratur und in Zusammenarbeit mit Firmen der Kunststoffindustrie wurden für die im Projekt vorgesehenen Untersuchungen die Kunststoffe PP und ABS ausgewählt, für die eine antistatische Ausrüstung sowohl im Automobilbau als auch im Elektronikbereich von großem Interesse ist. In diese Kunststofftypen wurden geeignete permanent wirksame bzw. migrierende Antistatik–Masterbatches in je zwei unterschiedlichen Konzentrationen eingearbeitet.

Die daraus hergestellten Kunststoffplatten wurden hinsichtlich ihrer elektrostatischen Eigenschaften wie spez. Oberflächen- und Durchgangswiderstand, Aufladbarkeit und Ableitverhalten, Einfluss von Füll- und Verstärkungsstoffen in Abhängigkeit der Prüfspannung, der verwendeten Elektrodengeometrie und der klimatischen Bedingungen sowie deren zeitliche Veränderung untersucht. Zur Beurteilung des Einstaubverhaltens wurde eine Staubkammer konstruiert und hiervon ein Prototyp gebaut.

Ergebnisse – in Abhängigkeit von Antistatik-Typ, Füllstoffen sowie Alterungsprozessen

Die während der Projektlaufzeit erhaltenen Messresultate belegen die Wirksamkeit der Antistatik-Masterbatches auf den Oberflächenwiderstand und die Ableitfähigkeit der untersuchten Kunststoffe PP und ABS. Permanente Antistatik-Masterbatches verringern zusätzlich den Durchgangswiderstand durch Ausbildung eines leitfähigen Netzwerkes im Polymer.

Abbildung 1 zeigt die zeitliche Veränderung des Oberflächenwiderstandes am Beispiel von ABS mit 5 % eines migrierenden Antistatik-Masterbatches (Mitte) bzw. 12 % eines permanenten Antistatik-Masterbatches (rechts) über 20 Monate im Vergleich mit dem Ausgangsmaterial (links) bei Lagerung im Normklima und zwischenzeitlicher thermischer Belastung.

Abbildung 2 links zeigt den Prototyp der gefertigten Staubkammer. Bei der Konstruktion der Staubkammer fanden folgende Problemstellungen Beachtung:

  • ein optimaler Staubeintrag mit guter Verteilung im Innenraum,
  • eine isolierte Lagermöglichkeit für die Prüfplatten und
  • die leichte Reinigung der Staubkammer zwischen den Versuchen.

Eine geeignete Menge farbiger Prüfstaub wird manuell in eine Rinne vor dem Druckluftaustritt eingebracht. Die Verteilung des Prüfstaubes erfolgt pneumatisch durch einen Druckluftstoß mit Hilfe eines seitlich angebrachten Tasters. Objekte können an einem herausnehmbaren Gestell mit isolierter Querstange aufgehängt werden (Abbildung 2 rechts).

Die bestaubten Platten lassen sich visuell nach der Farbintensität der eingestaubten Oberfläche und der anhaftenden Staubmenge beurteilen. Zu Vergleichszwecken wurde ein Fotokatalog von bestaubten Platten mit Angabe des spez. Oberflächenwiderstandes angefertigt.

Abbildung 3 zeigt eine Serie von PP-Platten mit unterschiedlichen Antistatik-Masterbatches (2.1 - 2.3 migrierend und 2.6 permanent) nach Einstaubversuchen mit blau eingefärbten Hausstaub ohne Faseranteil in der Staubkammer. Die bestaubten Platten lassen sich visuell nach der Farbintensität der eingestaubten Oberfläche und der anhaftenden Staubmenge beurteilen. Die Menge des anhaftenden Prüfstaubes nimmt mit sinkendem Oberflächenwiderstand ab. Platte 2.1 hat einen spez. Oberflächenwiderstand von 1,41E14 Ω, Platte 2.2 von 3,95E12 Ω, Platte 2.3 von 8,97E11 Ω und Platte 2.6 von 2,80E10 Ω.

Es wurde festgestellt, dass sich auf Platten mit permanenten Antistatik-Masterbatches und einem spez. Oberflächenwiderstand unter 1011 Ω (2.6) keine Staubblumen erzeugen lassen.

Staubkammer zum Nachweis antistatischer Wirksamkeit

Die Staubkammer stellt eine einfache Möglichkeit dar, an Bauteilen das elektrostatische Verhalten der verwendeten Kunststoffe zu testen. Sie kann bei Masterbatch-Herstellern und Kunststoff-Verarbeitern, die antistatisch ausgerüstete Teile herstellen, zum Nachweis der antistatischen Wirksamkeit eingesetzt werden. Dabei wird keine plane Oberfläche wie zum Messen des spez. Oberflächenwiderstandes benötigt. Solange sich Staubblumen auf der Oberfläche erzeugen lassen, sind elektrostatische Felder vorhanden, der Kunststoff ist nicht ableitfähig und birgt die Gefahr der elektrostatischen Aufladung und der daraus folgenden unkontrollierten Entladung. Weitere Messergebnisse, in Abhängigkeit von Antistatikum-Typ, Füllstoffen und Alterungsprozess, können beim Kunststoff-Zentrum in Leipzig (KUZ) angefragt werden.

Das KUZ bedankt sich bei der GRAFE Advanced Polymers GmbH und der Firma Kunststofftechnik Lapacz für die kostenlose Bereitstellung der permanent wirksamen und der migrierenden Antistatik-Masterbatches.

Leistungen des KUZ im Gebiet der elektrischen Prüfungen

Das KUZ kann auch bei Ihren Forschungsvorhaben nachweisen, beispielsweise im Bereich der Materialentwicklung, ob eine elektrostatische Aufladung vorliegt. Des Weiteren bietet das Akkreditierte Prüflabor des Kunststoff-Zentrums in Leipzig unter anderem eine Reihe von Prüfungen elektrischer Eigenschaften an. Zwei Beispiele aus dem Portfolio des Akkreditierten Prüflabors auf diesem Gebiet sind die DIN IEC 60093 / VDE 0303-30 (Prüfverfahren für Elektroisolierstoffe; Spezifischer Durchgangswiderstand und spezifischer Oberflächenwiderstand von festen, elektrisch isolierenden Werkstoffen) und die  DIN IEC 60167 / VDE 0303-31 (Isolationswiderstand von festen, isolierenden Werkstoffen).

Kontakt

Christian Rast
+49 341 4941-811
rastnoSpam@kuz-leipzig.de

Gefördert durch: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie – INNO-KOM-OST
Reg.-Nr.: MF140010

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