Nachhaltige Produktentwicklung – Materialkennwerte sind von entscheidender Bedeutung

Um die Eigenschaften des Grundmaterials zu verbessern, werden zahlreiche Zusatz- und Füllstoffe in die Polymermatrix eingefügt. Bei der Festigkeitsanalyse für die nachhaltige Gestaltung von Kunststoffformteilen müssen diese Aspekte berücksichtigt werden.

Kunststoffe bestehen aus einer Vielzahl miteinander verbundener organischer Monomere auf Basis von Kohlenstoff und Wasserstoff, weshalb sie als Polymere bezeichnet werden (poly: viele, mer: Teilchen). Um die Eigenschaften des Grundmaterials zu verbessern, werden zahlreiche Zusatz- und Füllstoffe in die Polymermatrix eingefügt. Diese können sich im Formteil wiederum ungleichmäßig verteilen oder ausrichten. Daher ist es nicht überraschend, dass spritzgegossene Formteile aufgrund ihrer Historie im Herstellungsprozess anisotrope oder orthotrope Eigenschaften aufweisen. Für eine sichere und nachhaltige Gestaltung von Kunststoffformteilen müssen diese Aspekte berücksichtigt werden und daher bei der Festigkeitsanalyse bereits erfasst werden.

Anisotrop und orthotrop beziehen sich auf die Richtungsabhängigkeit von Materialeigenschaften:

  • Anisotrop

    Anisotrop: Wenn ein Material unterschiedliche Eigenschaften in verschiedenen Richtungen aufweist, wird es als anisotrop bezeichnet. Das bedeutet, dass seine mechanischen, thermischen oder elektrischen Eigenschaften entlang verschiedener Achsen variieren können.

  • Orthotrop

    Orthotrop: Orthotrope Materialien sind eine spezielle Art von anisotropen Materialien, bei denen die Eigenschaften entlang dreier orthogonal zueinanderstehender Achsen unterschiedlich sind. Diese Materialien haben also verschiedene Eigenschaften in Längs-, Quer- und Dickenrichtung.

In Bezug auf spritzgegossene Formteile bedeutet dies, dass je nach Ausrichtung und Struktur der Kunststoffketten oder Moleküle im Material, unterschiedliche Festigkeitseigenschaften in verschiedenen Richtungen auftreten können. Dieser Aspekt muss bei der Gestaltung und Konstruktion von Formteilen berücksichtigt werden, um deren Leistung und Zuverlässigkeit sicherzustellen.

Integrative Simulation erfordert materialspezifische Kennwerte

Eine Methode, die Faserorientierung in die Auslegung von entsprechenden Formteilen einzubinden, ist die Integrative Simulation. Sie ermöglicht es, relevante Prozessinformationen mithilfe einer geeigneten Schnittstelle in eine gekoppelte Struktursimulation zu überführen und so das Bauteilverhalten vorherzusagen (Abb. 1). Die einzelnen Schritte der integrativen Simulation sollten dabei stets mit experimentellen Daten validiert und kalibriert werden. Für die Erstellung von Materialkarten müssen experimentell ermittelte Materialkennwerte sowie Mikrostrukturinformationen softwarespezifisch und auf den Anwendungsfall bezogen aufbereitet und angepasst werden. Nach einer Validierung des erstellten Materialmodells kann es zur Auslegung von Bauteilen eingesetzt werden, trägt damit zur Reduzierung von Entwicklungszeiten bei und liefert verlässlichere Ergebnisse der Festigkeitsvorhersage. Das Leichtbaupotential des Kunststoffes kann effektiver für die Anwendung ausgenutzt werden. Daraus resultiert letztlich auf Grund der sicheren Festigkeitsvorhersage ein nachhaltigerer Effekt für die Nutzungsphase des Formteiles gegenüber Ausfallerscheinungen bei effizientem Materialeinsatz.

Wie kann Sie das KUZ bei der Generierung von Materialkennwerten unterstützen?

Zur Ermittlung der für die Aufstellung von Materialkarten benötigten Kennwerte bietet das KUZ folgende Leistungen an:

  • Spritzgießfertigung von Prüfkörpern 
    z. B. Vielzweckprobekörper – ISO Typ 1A bzw. die Generierung dieser aus spritzgegossenen Halbzeugen (z. B. Prüfkörper Typ 5A) aus kundenspezifischem Material
  • Werkstoffmechanische Kennwertermittlung
    mittels z. B. Zugprüfungen nach DIN EN ISO 527, Biegeprüfungen nach DIN EN ISO 178 oder Charpy-Schlagprüfungen nach DIN EN ISO 179-1
  • Begutachtung der Morphologie mittels CT-Analyse
    beispielsweise zur Ermittlung der Faserverteilungen inkl. Faserorientierungstensoren bei gefüllten Kunststoffen oder zur Ableitung von Verteilungsfunktionen von Füll- und Verstärkungsfunktionen

Im KUZ-Forschungsprojekt „GEO-FaserMap“ wird die Methode der integrativen Simulation in Bezug auf Festigkeitsuntersuchungen an Bindenähten von kurzfasergefüllten Kunststoffen intensiv angewendet. Auch hier werden Materialkennwerte aus Prüfkörpern gewonnen, welche je nach geforderter Faserorientierung in unterschiedlichen Winkeln aus gespritzten Prüfplatten mechanisch herausgelöst werden. Begleitende CT-Scans dienen dem Abgleich der Faserverteilung und –orientierung mit den Ergebnissen aus der Füllsimulation.

Nachfolgend zwei Erfahrungsberichte von Unternehmen, welche die KUZ-Expertise zur Ermittlung der Materialkennwerte für spezifische Problemstellungen nutzen.

  • ZIEHL-ABEGG SE

    Lothar Ernemann | Produktentwicklung V-D1F Geschäftsbereich Lufttechnik:

    „Die Möglichkeit im KUZ mit unserem faserverstärktem Material Prüfplatten herstellen zu können aus denen in unterschiedlichen Richtungen (in und quer zur Fließrichtung) kleine Zugprüfkörper herausgelöst werden konnten, hat uns bei der Ermittlung der Materialkennwerte für das Aufstellen von Materialkarten im Ablauf der integrativen Simulation sehr geholfen. Somit konnten praxisnähere Ergebnisse der Struktursimulation für unsere Bauteile erzielt werden.“

     

  • Alfred Kärcher SE & Co. Kommanditgesellschaft

    Michael Krause | Specialist Research & Advanced Development - Virtual Engineering:

    „In unserer Produktentwicklung ist die Berücksichtigung anisotropen Materialverhaltens unabdingbar, um praxisrelevante Ergebnisse zu generieren.  Im KUZ konnten wir als Alfred Kärcher SE & Co. KG bzgl. dieser Thematik einen Partner finden. Aus spritzgegossenen Platten wurden richtungsgabhängig genormte Prüfkörper (Typ 1BA) hergestellt, die die Grundlage für die Ermittlung diverser mechanischer Kennwerte und das Aufstellen aussagefähiger Materialkarten für die integrative Simulation darstellen. Die Auswertung des CT’s durch das KUZ gestattet zudem, schichtabhängig die Glasfaserorientierung in Tensoren abzuleiten.“
     

Neben der Verwendung von faserverstärkten Kunststoffen hat auch die Nutzung von Rezyklatanteilen einen hohen Einfluss auf die Spritzgussfertigung. Das variierende Viskositätsverhalten  in Abhängigkeit der Rezyklatmenge muss ebenfalls im Vorfeld untersucht und anschließend in der Spritzgusssimulation berücksichtigt werden. Zur Ermittlung der notwendigen Viskositätsfunktionen eignet sich das am KUZ entwickelte  Spritzgieß-Online-Rheometer.

Weiterführende Links:

Werkstoffentwicklung

Prüf- und Probekörperkatalog (pdf)

Für eine weiterführende Beratung sprechen Sie uns gerne an!

Integrative Simulation | Steffen Jacob | jacobnoSpam@kuz-leipzig.de | +49 341 4941-704

Prüfleistungen inklusive CT-Analyse | Janine Dubiel | dubielnoSpam@kuz-leipzig.de | +49 341 4941-811

Prüfkörperfertigung und Rheologie | Nico Reimann | reimannnoSpam@kuz-leipzig.de | +49 341 4941-520

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