Elektromagnetische Abschirmung - zu welchem Preis?

Elektronische Geräte sind oftmals in unmittelbarer Nähe zueinander positioniert, woraus sich die Notwendigkeit ergibt, Wechselwirkungen vorzubeugen. In industriellen und kommerziellen Anwendungen stellt man die EMV (Elektro-Magnetische Verträglichkeit) häufig durch die Abschirmung elektromagnetischer Felder in Kunststoffgehäusen her, indem man diesen eine elektrische Leitfähigkeit implementiert.

 

Etablierte Maßnahmen zur Abschirmung von Kunststoffformteilen sind das chemische oder physikalische Metallisieren der Oberflächen, das Aufbringen leitfähiger Lacke, das Flammsprühverfahren und die Beimengung von leitfähigen Zusätzen z. B. Metallfasern, Ruß, Metallflakes, Metallpulver oder metallisierten Kunststofffasern zum Kunststoff.

Die Nachteile dieser Verfahren sind:

  • Hohe Stückkosten
  • Geringe Abschirmleistung im Vergleich zu Metallen
  • Schlechtere Festigkeit, Zähigkeit und Verarbeitbarkeit der angereicherten Kunststoffe

Verfahrensentwicklung zur Herstellung elektromagnetisch abschirmender Metallvlies–Kunststoff-Gehäuse

Um die genannten Nachteile zu kompensieren, wurde im KUZ das Projekt „ElMag“ (Reg.-Nr.: MF100099) initiiert. Durch das Hinterspritzen von flexiblen, flächigen und metallisierten Kunststoffvliesen - kurz: Metallvliesen - können langzeitbeständige und funktionszuverlässige Elektronikgehäuse mit einer hohen elektromagnetischen Abschirmung ohne aufwendige Nachbearbeitungsschritte gefertigt werden.

Im Rahmen des Projektes wurden folgende Zielstellungen verfolgt:

  • Anpassung des Spritzgießprozesses zur Herstellung von Metallvlies-Kunststoff-Gehäusen mit reproduzierbaren Eigenschaften
  • Konzeption von Automatisierungslösungen zur Fertigung von Metallvlies- Kunststoff-Gehäusen
  • Integration von Fertigungsschritten und Reduzierung von Fertigungskosten
  • Verbesserung der elektromagnetischen Abschirmung, der Langzeitbeständigkeit und der Funktionszuverlässigkeit von Kunststoffgehäusen durch den Einsatz von Metallvliesen
  • Gewichtsreduktion durch Wanddickenoptimierung - Leichtbau

Klassische Kunststofftypen im Verbund mit Metallvliesen

Um Metallvliese mit sehr hohen Abschirmwerten in Kunststoffgehäuse zu integrieren und die Prozessautomatisierung zu realisieren, wurden klassische Kunststofftypen für die Gehäuseproduktion ausgewählt:

  • PC/ABS
  • PA 6.6
  • PP
  • ASA
  • PA 6.6 mit 15 % Glasfaseranteil
  • PA 6.6 mit 30 % Glasfaseranteil

Als Metallvliese kamen Spinbondvliese der Fa. Schirmung 2000, die bereits als Strahlenschutz in Luft- und Raumfahrt- sowie Militär- und Kernkrafttechnik genutzt werden, zum Einsatz. Die verwendeten Spinbondvliese bestehen aus kratzfest metallisierten Kunststofffasern (alternativ aus PA 6.6 oder PET). Sie zeichnen sich durch exzellente Schirmdämpfungswerte für elektro-magnetische Wellen sowohl mit vertikaler als auch horizontaler Polarisation aus.

Hinterspritzen der Metallvliese im 2D-Bereich

Bei den Versuchen kamen Vliese mit unterschiedlichen Vliesdichten und Metallbeschichtungen zum Einsatz. Systematisch wurde der Einfluss diverser technologischer Parameter auf die Abschirmwirkung der zunächst zweidimensional ausgelegten Prüfkörper (Platten 100 x 100 mm mit 1 bis 3 mm Dicke) untersucht. Die Positionierung des zugeschnittenen Vlieses erfolgte dabei auf den Führungssäulen düsenseitig. Hinterspritzt wurde es entsprechend flächig, wobei das Vlies deutlich überstand.

Die elektri­schen Prüfungen hinsichtlich metallischer Flächenhomogenität und Schirm­dämpfung beim Auftreffen elektromagnetischer Wellen und im magnetischen Wechsel­feld erbrachten sehr positive Resultate.

Von der 2. in die 3. Dimension

Im Ergebnis der Untersuchungen im 2D-Bereich wurde ein 3D-Demonstrator als elektro­magnetisch abschirmendes Metallvlies-Kunststoff-Gehäuse konzipiert. Um den gewünschten Effekt der Abschirmung zu erzielen, muss das Vlies das Formteil innen lückenlos be­schichten und ein vliesfreier Abschluss am oberen Rand gewährleistet sein. Um eine die Vliese­ schonende Formfüllung zu garantieren, wird das Teil mittig in der Bodenfläche über eine Heißkanaldüse ange­spritzt.

Nach Festlegung der Geometrie des 3D-Demonstrators wurde das 3D-Versuchswerkzeug unter Bewertung diverser Halterungsvarianten konzipiert. Die 2‑dimensionalen Vliese müssen zerstörungsfrei und mit wenigen Faltungen z. B. durch Einschneiden oder Ausschneiden bestimmter Teilbereiche in das 3D-Formteil integriert werden.

In diesem Zusammenhang wurden u. a. verschiedene oben aufgezeigte Positionierungs- und Fixierungsvarianten bewertet. In den sich anschließenden Spritzgießuntersuchungen am 3D-Demonstrator wurden diverse Vlieszuschnitte hinsichtlich ihrer Positions- und Formstabilität am 3D-Formteil und Durchdringung der Metallvliese mit Kunststoff getestet.

Auch hier wurden exzellente Ergebnisse hinsichtlich der Abschirmwirkung des 3D-Demonstratorgehäuses erzielt. Die Herausforderung besteht bei den konkreten Anwendungen im 3D-Bereich zum einen in der Art des Zuschnitts und zum anderen in der geometrieabhängigen Modifizierung der Prüfmethoden.

Vorteile auf einem Blick

Die Herstellung von langzeitbeständigen und funktionszuverlässigen Elektronikgehäusen mit hoher elektromagnetischer Abschirmung durch Hinterspritzen von, den in dem Projekt untersuchten, Metallvliesen hat viele Vorteile:

  • zielgerichtete Funktionsintegration im Bauteil
  • Einsparung aufwendiger Nachbearbeitungsprozesse (Metallisierung usw.)
  • Erhöhung der Funktionszuverlässigkeit
  • Integration von Fertigungsschritten und damit Reduzierung von Fertigungskosten
  • Senkung des Logistikaufwands
  • Gewichtsreduktion durch den Kunststoffeinsatz und Wanddickenoptimierung (Leichtbau)

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Kontakt

Kathrin Klamt
+49 341 4941-606
klamtnoSpam@kuz-leipzig.de

Gefördert durch: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Reg.-Nr.:MF100099

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